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Unfallbilder als Öffentlichkeitsarbeit? - oder Presse vs. Feuerwehr

Vorweg: Feuerwehren machen einen großartigen Job. Ohne Frage. Tagtäglich wird Leben gerettet. Grade die Freiwilligen Feuerwehren haben hier einen besonderen Platz in meinem Herzen. Die Kameraden und Kameradinnen engagieren sich in ihrer Freizeit für die Allgemeinheit.


Unfallstelle an der B27 / Foto: C. Grube
Unfallstelle an der B27 / Foto: C. Grube

Als Journalist, der regelmäßig von Brandeinsätzen und Unfällen berichtet, erlebe ich die Arbeit der Feuerwehren hautnah. Dennoch wird man gern mal als bezahlter Gaffer oder Sensationsgeil verschrien. Jeder Journalist der professionell arbeitet, hat sich mit Erteilung des Presseausweises dem Pressekodex unterworfen. Was heißt: Persönlichkeitsrechte achten, Opferschutz etc. - Doch was, wenn Feuerwehren unter dem Deckmantel "Öffentlichkeitsarbeit" dies untergraben und selbst zweifelhaftes Bildmaterial öffentlich zur Schau stellen?


Zum Anlass:


Am 12. Mai 2020 kam ich zu einem Einsatz, der für mich in vielerlei Hinsicht lange im Gedächtnis bleiben wird: auf der Bundesstraße 27 zwischen Blankenburg/Harz und Hüttenrode war ein mit 26 Tonnen Kalk beladener LKW in einer Kurve von der Straße abgekommen. Der Fahrer lebensbedrohlich verletzt und konnte erst nach 3 Stunden geborgen werden.


Als ich an die Unfallstelle gelangte, wurde mir von der Polizei gesagt, ich könne noch nicht an die Einsatzstelle, der Fahrer wird noch geborgen. Von meiner Seite her ist das völlig in Ordnung. Die Rettungskräfte haben alle Hände voll zu tun, da will man nicht noch ein Hindernis darstellen.


Signal die Presse nicht vor zu lassen.

Als der Fahrer dann geborgen war, bin ich mit einem Polizeibeamten näher heran gegangen und konnte ersten Blick auf das verunfallte Fahrzeug werfen. Etwa 50m davor wurde von einem Feuerwehrmann ein Sperrband gefordert, es würde immernoch eine Gefahr vom LKW ausgehen. Dankenswerterweise stand mir der Einsatzleiter für ein Interview zur Verfügung - ca. 15 Minuten später rückte die Feuerwehr ab und ich durfte nach über 3,5 Stunden endlich meine Arbeit machen.


Ich möchte an dieser Stelle nicht mit dem Presserecht anfangen, denn strenggenommen dürfte ich unter Achtung der Persönlichkeitsrechte und des Opferschutzes die Bergung des Verunfallten filmen. Da ich für mich irgendwann entschieden habe, nur das zu filmen/fotografieren, was ich selbst auch im TV sehen wollen würde, nehme ich von derartigen Aufnahmen Abstand.


Am nächsten Morgen entdeckte ich auf der Facebookseite der Freiwilligen Feuerwehr einen Einsatzbericht mit Fotos, welche mich als Journalist sprachlos machten. In Großaufnahme zeigte man dort die Rettung des Opfers. Zwar verpixelt, dennoch eindeutig zu nah.


Auf einem Foto ist ein Kamerad zu sehen, wie er die Füße des Mannes hält. Vom Blut ganz zu schweigen.


Ja, das Leben ist kein Ponyhof - doch steht hier eindeutig die Frage der Verhältnismäßigkeit im Raum. Ich als Pressevertreter, der weiß was er darf und was er nicht darf, werde weitgehend abgehalten meine Arbeit zu machen, doch eine Feuerwehr darf ihren "Vorteil" ausnutzen und derartige Fotos ins Internet stellen? Wenn ich solche Fotos überhaupt nur anfertige, könnte ich sogar nach §201a StGB - Gafferparagraph belangt werden.


Gerade im Bezug auf den aktuellen Rechtsstreit zwischen dem Bayrischen Journalistenverband und der Stadt München, in dem es darum geht, dass die Feuerwehren Fotos an die Medien verkaufen bzw. weitergeben dürfen, muss hier dringend die Frage gestellt werden, ist das noch Öffentlichkeitsarbeit oder öffnet man Gaffern und sensationsheischenden Menschen Tür und Tor? Warum wird in den Medien groß verkündet, dass man Sichtschutzwände gegen Gaffer angeschafft habe, aber diese mit Veröffentlichung dieser Fotos obsolet macht?


Nochmal, ich kritisiere hier nicht die Arbeit einer Feuerwehr - ich kritisiere das offenkundige Unwissen über das Presserecht und das unbedarfte Veröffentlichen von hochsensiblem Bildmaterial.


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